Ein Kriminalfall

(Diese packende Geschichte hat mir mein Opa,
ein pensionierter Kriminalkommissar, erzählt)

Es war an einem späten Winterabend in der Großstadt, als der Kriminalkommissar Meier in seinem Dienstzimmer mehrere Telefonanrufe erhielt.

Ihm wurde mitgeteilt, daß ein unbekannter Täter bei mehreren Familien in deren Parterrewohnung durch das Fenster eingestiegen war und diverse Schmucksachen, Bargeld, Bekleidungsstücke und auch Nahrungsmittel entwendete hatte. Aufgrund dieser mündlichen Anzeige begab sich Kriminalkommissar Meier mit seinem Dienstwagen, einem nur noch mit viel Liebe und Geduld durch die zuständige Kfz-Werkstatt in einen einigermaßen verkehrssicheren Zustand gehaltenen "Trabbi de Luxe", älterer Bauart, zum Tatort. Er vergaß auch nicht, seinen Fährtenhund, den Dackel "Waldi", den allseits bekannten und gefürchteten Ganovenschreck, mitzunehmen.

Am Tatort angekommen befragte Kriminalkommissar Meier die geschädigten Personen und mehrere Zeugen, die eventuell hätten zweckdienliche Aussagen machen können. Aber diese hielten sich aus irgendeinem noch unerklärlichen Grund zurück und wollten nichts gehört und gesehen haben. Sollte da gar die sizilianische Maffia ihre schleimige Hand im Spiel haben. Kommissar Meier war bei diesem Gedanken gar nicht wohl in seiner Haut.

Dann wurde Fährtenhund Waldi vom Tatort aus angesetzt. Da aber Waldi seine "Schappi"- Abendmahlzeit auf Grund des kurzfristig angesetzten Einsatzes noch nicht einnehmen konnte, war sein Eifer auch entsprechend. Er ließ die langen Schlappohren hängen, wedelte mit dem Schwanz und deutete mit seinen treuen Dackelaugen an, daß von ihm ohne die gewohnte Mahlzeit in seinem Hängebauch in dieser gefahrverheißenden Situation kein sonderlicher Einsatzeifer zu erwarten sei. Oder war es die Angst, spürte er etwa auch den Krakenarm der Maffia an seiner haarigen Gurgel.

Meier's Hals schnürte sich noch mehr zusammen. Der Hundeeinsatz, seine sonst von der Unterwelt stets so gefürchtete Geheimwaffe, war also auch ohne Erfolg.

Nach zwei Stunden Tatortarbeit, begab sich der Kriminalkommissar erschöpft und bierdurstig zu seiner Dienststelle und Waldi an seine unterbrochene Mahlzeit zurück. Der Täter wurde in diesem Fall nicht ermittelt und war vorerst der lachende Dritte.

Drei Tage später gingen bei der Kriminalpolizei abermals derartige Meldungen ein. Wiederum wurden die Tatorte durch die Polizei aufgesucht und Schuhspuren, Fingerabdrücke sowie Glassplitter am Tatort gesichert. Aber auch diesmal glich die Befragung der Zeugen dem berühmten "Schuß in den Ofen" - viel Aufwand und kein Ergebnis.

Kriminalkommissar Meier führte dann in der Folgezeit weitere ergebnislose Ermittlungen zu diesem Fall. Schon wollte er resigniert aufgeben, die Akte dem riesigen, schon eingestaubten Stapel der anderen ungelösten Kriminalfälle zuordnen - da erhielt er dann schließlich von einer älteren Frau den Hinweis, daß ihr Enkel bei ihr schon mehrere Nächte hintereinander durchs offene Wohnzimmerfenster stieg und aus dem Küchenschrank, Nahrungsmittel und kleine Mengen Bargeld entwendete, welches sie in einer Zuckerdose versteckt hatte und, was das Frevelhafteste war, sich an ihren kleinen "Muntermacher", der eigentlich sicher vor ihrem Mann in einer großen Vase versteckt war, vergriff. Die Sache mit dem Schnaps brachte bei ihr das berühmte Faß zum überlaufen, das war zuviel, die Toleranzgrenze war überschritten.
Diese Aussagen waren für die Kriminalpolizei Anlaß, den Enkel dieser Frau der Dienststelle zuführen und zu vernehmen.

Hier legte der 20-jährige unter Tränen und Reueschwüren ein Geständnis ab. Er erklärte, daß er in ca. 20 Fällen in den Mitternachtstunden mehrmals durch offene Wohnungsfenster stieg und aus den Wohnräumen diverse Schmucksachen, Bargeld und Kleidung entwendet hatte.

Das war zuviel. Alte Damen beklauen. Die Gerechtigkeit mußte ihren Lauf nehmen. Die Sache wurde dann dem Staatsanwalt und einem einigermaßen nüchternen Richter übergeben. Nur seinem Rechtsbeistand hatte er es zu verdanken, daß seine vom Staatsanwalt beantragte lebenslange Kerkerhaft in 30 Jahre Bewährung umgewandelt wurde.

Der Hinweis "Fenstereinstieg" durch die alte Dame, war für die Polizei zweckdienlich und führte zur erfolgreichen Auflösung des Falles. Die Stadt konnte aufatmen, die Gefahr um das Ungewisse und Gefährliche war wieder einmal gebannt worden.



TOP - nach oben